Herzbotschafter

„Ich fühlte mich wie das Krokodil bei Peter Pan.“

Tanja, Erzieherin, 39 Jahre. © Nationales Register | privat

Tanja

Bis ich siebzehn war, wusste ich nichts von meinem Herzfehler. Meine Kindheit ist völlig normal verlaufen. Ich wollte die Schule nach der elften Klasse verlassen, um eine Ausbildung zur Krankenschwester zu machen.
Doch dann kam alles anders.

Ich war erkältet, wie so oft. Als ich plötzlich im Sitzen einschlief und mein linker Arm schmerzte, überredete mich mein Freund, zum Arzt zu gehen. Der Arzt schickte mich sofort ins Krankenhaus. Eigentlich sollte hier demnächst meine Ausbildung beginnen – nun saß ich mit meiner Mutter im Wartezimmer und wartete auf meine Diagnose. Die Nachricht traf uns wie ein Schlag ins Gesicht: „Ihr Kind hat einen Herzklappenfehler.“

Die Ausbildung konnte ich erstmal vergessen.

Von diesem Tag an hat sich vieles geändert in meinem Leben. Zum Glück stand meine Familie immer hinter mir. Die Ausbildung zur Krankenschwester konnte ich natürlich erst einmal vergessen. Ich musste ja operiert werden. Da blieb nur der Weg zurück in die Schule. Die OP verlief gut. Ich holte sämtliche Klausuren nach, legte mein Abitur ab und begann ein Praktikum an einer Klinik. Kurz darauf kündigte sich unser Sohn an. Als er zur Welt kam, wollte ich erst einmal zu Hause bleiben. Mein nächster beruflicher Anlauf gestaltete sich komplizierter als gedacht. Entweder sah man die Krankheit als Hindernis oder mein Kind. Endlich konnte ich eine Ausbildung zur Augenoptikerin beginnen. Doch da funkte erneut mein Herz dazwischen. Eine zweite Herzoperation war nötig, mechanische Klappen mussten eingesetzt werden. Ich hatte übrigens keine Ahnung, wie laut die sein würden. Ich fühlte mich wie das Krokodil bei Peter Pan, das den Wecker verschluckt hat.

Ein 1-Euro-Job verhalf mir zu einer neuen Perspektive.

Nach der OP bereitete ich mich auf die Prüfungen vor und beendete meine Ausbildung. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage übte ich diesen Beruf jedoch nie aus. Ich war arbeitslos und auf Hartz IV angewiesen, bis mir ein Ein-Euro-Job schließlich zu einer neuen Perspektive verhalf. Ich jobbte damals im Kindergarten und entschied mich, eine Ausbildung zur staatlich geprüften Erzieherin zu machen, was mir auch gelang. Seit 2011 arbeite ich in einer Kindertagesstätte. Ich liebe meinen Beruf. Der stellt mich mit meinem Herzen schon manchmal vor körperliche Herausforderungen. Meine ruhigen Hobbys Lesen, Malen und Handarbeiten sind da ein guter Ausgleich.

Es tut gut zu wissen: Ich bin nicht allein.

Nach all den Jahren habe ich gelernt, mit meiner Krankheit zu leben und sie zu akzeptieren. Ich kann sogar meine Späße darüber machen. Mein Leben bestimme ich so weit wie möglich selbst. Immer wieder stelle ich fest, dass ich meine Prioritäten anders setze als viele meiner Mitmenschen. Ich bin in vielerlei Hinsicht entspannter und warte erst einmal ab, wie sich manche Dinge entwickeln, um nicht unnötig Energie zu verschwenden. Gemeinsam haben wir, mein Mann, unser Sohn, der heute erwachsen ist, und ich alle Hürden gemeistert. Ich finde es immer wieder interessant, die vielen Beiträge hier zu lesen. Es tut gut zu wissen: Ich bin nicht allein.

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